Von sagenhaften Eisriesen

Der Wetterbericht  am 4.8. verheisst Sonnenschein für die kommenden drei Tage. Und der Tour zum Ara Kul See steht nichts im Weg. Frau mit 13.5 kg, Mann mit 16.5 kg auf dem Buckel. Und da war nix überflüssiges drin. Zelt, Schlafsack, Isomatte, Kocher, Wasserfilter, Essen für 4 Tage, Regenkleider, lange Unterwäsche, Handschuhe, Mützen, ... höchster Punkt sollte 3800 m sein, höchster Schlafpunkt, 3500 m.

 

Mit einem Taxi lassen wir uns ins Tal der Blumen fahren, von wo aus wir losmarschieren. Die Sonne scheint, der Karakol-Fluss führt richtig viel Wasser, mäandriert und macht gewaltig Lärm. Doch weder uns noch die Blumen stört das. Etliche Male ist der Weg aufgrund der starken Regenfälle der letzten beiden Tage überflutet und wir müssen über Stock und Stein balancieren. Wir wandern durch einen Fichtenwald. Die einzelnen Bäume - Schrenks Fichten - sind perfekt gewachsenen, schlank und vital. Es ist wie aus dem Bilderbuch.

Nach ca. einer Stunde fängt meine Ferse an weh zu tun. Ich habe das bislang noch mit keinem Wort erwähnt, aber seit meinem Inselfaulenzen in Thailand vor 4 Monaten tut mir meine linke Ferse weh. Mal mehr mal weniger. Sämtliche westliche und östliche Medizin hilft immer nur kurzfristig. Am besten ist es täglich 2 Mal zu dehnen und immer ein bisschen laufen. Aber ganz schmerzfrei ist es höchst selten und ich habe mich irgendwie an die Schmerzen gewöhnt. Aber mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken... ich muss eine Diclofenac nehmen. Und die Landschaft ist zu schön. Gegen 5 erreichen wir die Kreuzung, von wo aus es zum Hauptziel, dem Ara-Kul-See geht. Im Haupttal suchen wir ein geschütztes Zeltplätzchen. Walderbeeren und Enziane wachsen ums Zelt. Eingemummelt sitzen wir, köcheln chinesische Nudelsuppe und schauen fast zwei Stunden zu, wie die untergehende Sonne die Konturen der Berge verschwinden und neue auftauchen lässt. Gegen halb acht verschwinden wir in unseren Schlafsäcken. Und schlafen bis sieben am nächsten Tag. 

Die Sonne kriecht erst um kurz nach acht über den Berg, aber da sitzen wir schon mit heissem Café und Haferflockenbrei beim Frühstück. Alles sehr gemütlich. Wir entscheiden uns, das Karakoltal noch weiter nach hinten zu laufen. Am Ende Tals sind auf der Karte einige Gletscher und Gletscherzungen eingezeichnet.

 

Wieder geht es durch eine herrliche Flussmäanderlandschaft, vorbei an Pferden, ab zu an ein paar Zelten. Ich laufe ohne Rucksack, nur mit meinem Foto und einer weiteren Diclofenac intus. Martin mit 10.5 kg, um meine Ferse zu schonen. Und wieder, da ist nix überflüssiges dabei, denn das Wetter kann hier innert einer Stunde umschlagen.

 

Das Tal wird enger und steiler, die Flora immer reichhaltiger. Edelweiss und Enzian tauchen auf. Und plötzlich das hier:

Mir stockt der Atem. Das habe ich nicht erwartet. Ein sagenhafter Eisriese. Wir entscheiden, uns einfach auf den heissen Stein zu legen und zu geniessen. 

Zum Abendessen gibts Beefnoodels. Die sind um einiges besser, als die Chickennoodels.

 

Und am nächsten Morgen stehen wir mal früh auf. Um kurz nach sechs. Aber mit gemütlich frühstücken und Zelt ist's dann auch kurz nach acht, bis wir loskommen.

 

Zu Beginn geht's durch dichten, herrlich bemoosten Wald. Das ist solang schön, bis sich der Weg im Moos verliert. Weiter durch das Geröll des Flussbettes? Den Weg suchen? Zwei Israelis tauchen auf. Zu viert suchen wir weiter den Weg, den der Pfadfinder Martin dann auch findet. Dann folgt ein sehr steiles Stück auf grusig-sandigem Boden. Wir erreichen das erste Höhenplateau, wandern weiter durch den anastomisierenden Gletscherbach. Pinkfarbene Weidenröschen leuchten uns den Weg. An einem Toteissee machen wir Snickers-Pause - weil und der Hunger packt... Neben dem Wacholder wachsen noch komische Sträucher am See ... weiss jemand, was das ist?

Dann folgt das steilste und härteste Stück. Mein Höhentrainig in Tibet macht sich bemerkbar. Wir überholen irgendwann sogar die Isrealis, die doch einiges an Vorsprung erlaufen hatten. Aber ab 2900 m Höhe atmets sichs eben nur noch schwer. Doch oben auf 3500 m angekommen, werden wir belohnt...

In den Geröllhängen gegenüber rumpelts immer wieder ganz gewaltig. Wir sehen Steine den Hang runterspringen - die sind 300 m weit weg, d.h. die kleinsten müssen so gross sein wie ein Gesundheitssitzball.   Ein Wetter zieht auf und in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit entschliessen wir uns, am See zu zelten. Ein starker, kalter Wind weht Regentropfen heran... und Buddha meint's gut mit uns. Ein leeres Lager einer Trekking Agentur wartet auf uns. Wir dürfen ein Zelt von denen nutzen und werden auch noch bekocht. Die Isrealis tauchen auch noch auf und wir haben im warmen Essenzelt einen netten Abend.

4Plötzlich weht's aber auch in das Zelt kalt, die Chefin schmeisst uns raus. Keine Minute zu früh, ziehen wir in unser Schlafzelt. Die ganze Nacht tobt ein kalter Sturm, manchmal hagelt es. Es ist kalt und ich bin froh, dass Martin die Nacht überlebt hat - sein Zelt hat nur Komfortzone bis + 4 Grad. Denn am nächsten Morgen sehen wir schneebepuderte Bergspitzen um uns.

Nach dem Frühstück mit starkem isrealischen Café gehts die letzten 350 Höhenmeter hoch zum Pass. Ich bin heute sehr schlapp. Aber was tut man nicht alles für diesen Blick.

Auf der anderen Passeite wartet dann eine Rutschpartie durch fliessende Geröllfelder auf uns. Das macht richtig Spass und innert Minuten überwinden wir 300 Höhenmeter ohne die Knie zu belasten.

Auf der anderen Passeite wartet dann eine Rutschpartie durch fliessende Geröllfelder auf uns. Das macht richtig Spass und innert Minuten überwinden wir 300 Höhenmeter ohne die Knie zu belasten.

 

Nochmals 3 Stunden sind es bis zu den Altyn Araschan - den heissen Quellen. Und wir müssen noch einen 15 m breiten Gletscherfluss überqueren. Es gibt keine Stelle, wo wir nicht nasse Füsse bekämen... also... Schuhe aus. Martin läuft voraus. Ich langsam hinter her. Sch....kalt. Innert Sekunden denke ich, mir faulen die Füsse ab. Dann kommt eine Passage mit starker Strömung. Martin tastet sich vor. Ich warte auf einem Stein. Da traben von hinten drei Reiter an. Gerade will ich mich bemerkbar machen, da bietet mir der eine von sich aus an, mich auf's Pferd zu nehmen. Während Martin also Zentimeter für Zentimeter durch das klare Wasser kriecht, reite ich grinsend an ihm vorbei. Ich krieg jetzt noch Bauchweh vor Lachen, wenn ich an seinen konsternierten Blick denke. Eine halbe Stunde vor den heissen Quellen gibt's einen gewaltigen Wolkenbruch. Als wir an den heissen Quellen ankommen, dürfen wir durch einen Regenbogen laufen. Der Wettergott ist gnädig und stellt den Regen ab, so dass wir das Zelt im Trockenen aufbauen können. Dann nix wie ab in die heissen Quellen. Dort sitzen wir eine Stunde schwitzen und gönnen uns ein Bier. Danach kochen wir im Schlafsack liegend Linsen-Reis-Eintopf. Die Zutaten haben uns die Israelis geschenkt, die hatten keine Lust mehr zum Kochen. Dummerweise habe ich zu wenig Reis genommen, denn danach sind wir beide noch hungrig. Aber so müde, dass wir trotzdem schnell einschlafen.

Der letzte Tag hat's in sich. Mir hat einer erzählt, dass es von den heissen Quellen bis zu einem Sanatorium noch 2 Stunden Weg und von dort ein Bus fährt. Aus den zwei wurden fünf. Also ich weiss auch nicht. Entweder der Typ wollte angeben oder ich hatte 'nen Hörschaden. Das ganze quasi ohne Proviant und ohne Diclofenac - ich dachte 2 Stunden geht auch ohne. Am Ende tauchen pralle Obstbäume auf... aber ein keinen Ast kommt man. Auch nicht mit waghalsigen Manövern. Es ist zum wahnsinnig werden. Naja, schöne Fotos - immerhin. Und den Duft von Klaräpfeln in der Nase .... Schön war's!

 

Übrigens, falls jemand Interesse hat, die Geschichte vom Pferd aus Martins Sicht zu lesen ... www.blog.einstein.de.

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Kommentare: 7
  • #1

    Birke (Samstag, 10 August 2013 22:38)

    Na, das sind ja Traumwelten, in denen ihr Euch da bewegt...

  • #2

    Schweschter (Dienstag, 13 August 2013 08:05)

    Während Frieda hier ihre, mit lauten Tönen begleitende Morgengymnastik macht, hab ich mir bei Tee und Pfirsich Deine Geschichte angehört! Schön habt ihrs! Hätt ich ja nicht gedacht, dass man dort drüben so wunderschöne Ecken findet! Viel Spaß euch weiterhin!

  • #3

    Rebecca (Dienstag, 13 August 2013 14:44)

    Beeindruckende Landschaft und Erzählungen! Und mein tiefsten Respekt vor solchen - kann man sie überhaupt noch- Wanderungen nennen? Wie es wohl jetzt ist zu zweit zu reisen, nach der langen Zeit " alleine"? :-) Bin gespannt wie die Reise weitergeht... Liebste Grüsse

  • #4

    Zipi (Donnerstag, 15 August 2013 13:17)

    Der korrekte Link zum Einstein sein Blog ist ohne www: blog.einstein.de
    Dadurch wird das Ganze erscht psychologisch interessant. Die Bilder könnten ja auch aus der Schweiz sein. Und der Pendant kann sich an unterschiedlichen Zahlenangaben erfreuen. Hat Karakul jetzt 70000 oder 270000 Einwohner? Will der Steini jetzt noch nach Schina? Fährst Du dann den Pajero in der Busverkleidung zurück? Oder fahrt Ihr soweit es geht und lasst Euch dann mit der Rega zurückholen?

  • #5

    katinkaintheworld (Donnerstag, 15 August 2013 13:41)

    @ Zipi: Das lob ich mir doch. Aufmerksame Leser... Also alles was Zahlen begeht hat der Einsteinsche Blog natürlich Recht. Was für eine Frage! Der Steini will heute Hü und morgen Hot. Und ich fahre der Pajero durch die Schlaglöcher. Aber zurück fahr ich das Ding nicht. Da gefällt mir die Idee mit der Rega doch besser.

  • #6

    katinkaintheworld (Donnerstag, 15 August 2013 13:44)

    @ Rebecca: Ja, das sind schon echt anstrengende Wanderungen. Aber es ist jeden Schritt wert. Und es ist schon so, nach 6 Monaten Alleine Reisen, muss man sich schon umgewöhnen. Alleine ist gut. Und zu zweit ist auch gut. Anders. Beides schön. Liebste Grüsse zurück

  • #7

    katinkaintheworld (Donnerstag, 15 August 2013 13:47)

    @ Schweschter: Ja, das sind unendeckte Juwelen hier. Und Ich kann nur einen Bruchteil auf Bildern festhalten. Man muss es fast spüren. Die Unberührtheit. Die Einsamkeit.