Wie zählt man Reis?

In meinem tiefsten Chinesenloch bin ich in Kaili laut vor mich hin bruddelnd und schlecht gelaunt in die Chinese Internatational Travel Agency getrampelt. Ohne zu fragen, stotter ich wieder auf chinesisch los, komme nicht weit, fragen den Herrn, ob er englisch kann, nicht wirklich erwartend, dass dem so ist. Er spricht echtes (!) Englisch - welch eine Wohltat. Und er hatte eine fast echte Landkarte der Region. Als ich ihm sagte, dass ich ein paar Dörfer in der Region anschauen möchte und danach zu den Reisterassen nach Longshen möchte, meinte er "Wieso willst Du denn nach Longshen. Wir haben hier viel schönere und grössere Reisterassen. Ist halt ein bisschen abgelegen." Abgelegen! Das war das Zauberwort. Und so kam es, dass ich nach 3 Stunden auf der Autobahn in einem modernen Bus und einer weiteren Stunde auf einer schlechten Strasse in Conjiang war. Eine hässliche kleine Stadt, von der aus ich am nächsten Tag nochmals 2.5 Stunden auf z. T Schlammpiste durchgerüttelt wurde, dann eine Stunde laufen musste und dann nach nochmals 20 Minuten mit dem Motorrad endlich in dem Dorf ankam, was der netter Herr mir empfohlen hat. Steht in keinem Reiseführer. Und ich werde dafür sorgen, dass das so bleibt. Manchmal verirren sich wohl ein paar chinesesische Fotografen hierher.

 

Auch ich habe mich verirrt in diesen endlosen Reisterassen. Verirrt, verloren, in den nicht in Formeln fassbaren Geometrien. Kulturlandschaften, geschaffen für die Ewigkeit. Denn wer würde jemals ein solches Kunstwerk der Generationen verlassen? Geschaffen vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Badewannen für die Sonne und Haltebuchten für den Nebel. Und bei all meinem Unverständnis für die Wesensart der Chinesen, wie kann man für die Baumeister keinen Respekt empfinden? Und bei all der Schönheit, vergisst man, dass dies nicht um der Schönheit willen gebaut wurde, sondern einzig und allein zum Über-Leben. Und das Leben hier oben ist hart, eintönig, einfach und derb. Nur an den wenigen Tagen, an denen die Sonne scheint, sind auch die Kanten und Furchen in den Gesichern weniger hart und tief.

 

Und doch, sie leben ihr Leben. Und ich war wieder nur auf der Durchreise vorbei am Leben.

Kommentar schreiben

Kommentare: 8
  • #1

    pp (Mittwoch, 05 Juni 2013 23:32)

    atemberaubend schön

  • #2

    pp (Mittwoch, 05 Juni 2013 23:38)

    da möcht ich ein bild bei mir in der wohnung aufhängen, welches vielleicht das vierte.

    trinkt oh augen was die wimper hält von dem goldnen überfluss der welt (gottfried keller)

  • #3

    katinkaintheworld (Donnerstag, 06 Juni 2013 01:06)

    @ pp: Oh, der Spruch vom Gottfried, der trifft es.

  • #4

    Rebecca (Donnerstag, 06 Juni 2013 22:23)

    Sooooooooo schön!

  • #5

    meret (Freitag, 07 Juni 2013 14:26)

    liebe Katrin,
    die bilder sind fabelhaft und vielen Dank nochmal für das tolle Geschenk.
    deine Meret

  • #6

    Schweschter (Samstag, 08 Juni 2013 00:34)

    Ertrunken in der bilderpracht!

  • #7

    Martin (Montag, 10 Juni 2013 16:04)

    Ja und jetzt? Wie zählt man Reis?

  • #8

    katinkaintheworld (Montag, 10 Juni 2013 17:57)

    Wenigstens einer der das fragt! Lach, alle anderen waren so geblendet. Ich weiss es eben auch nicht. Ich weiss nicht nicht mal, wieviel kleine Reisfelder man braucht, um einen Reissack zu füllen. Aber andererseits, ich zähle die Reiskörner im Schüsselchen auch nicht. Aber Reis a gogo zum essen kostet zwischen 30 und 50 Cent.