Im Land der Avataren

Nach dem ich mich von den Karsthügeln in Yangshuo verabschiedet habe und wieder 10 Stunden Nachtzug gefahren bin, werde ich am Morgen von sanften chinesischen Gesängen geweckt. Ich blicke schlaftrunken aus dem Fenster und denke, ich träume noch. Die Musik passt perfekt zur Landschaft, die sich mir darbietet. Sanfte, hellgrüne Hügel mit kleinen Flüsschen dazwischen. Auf dem Nass der Blattspitzen spiegelt sich eitel die Sonne.

 

Ich bin vor Aufregung mit einem Schlag hellwach, wobei es nochmals 1.5 Stunden geht, bis der Zug in Zhangjiajie-Stadt ankommt. Der dortige Bahn- und Busbahnhof ist wieder ein riesiger Betonplatz, ja sogar die klassiche Nutzung dessen, für Heldenehrungen, findet gerade statt (was für Helden auch immer das waren, soweit reicht mein chinesich nicht). Ich finde die die Ticketverkaufsstelle und erfahre, dass der "shoupiàoyuan", der Ticketverkäufer für meine Destination, das Ticket im Minibus verkauft. Meine Destination heisst Zhangjiajie-Dorf. Dort ist der Eingang zum Wulingyuan Wald-Nationalpark, den die Einheimischen nur Waldpark - Selingongyuan - nennen. Ich schreibe all die chinesischen Namen extra, damit ihr beim Lesen auch über all die Buchstaben stolpern dürft, sowie meine Zunge beim Sprechen. Die hat vor lauter Anstrgung schon Muskelkater und abends mindestens drei Knoten.

 

Am Eingang zum Park, steht ein riesiges Schild, was auch mich auf englisch willkomen heisst und stolz ankündigt, dass im Touristeninformationscenter weitere Informationen vorhanden sind und auch die Preise für den Eintritt angeschrieben seien. Ich freue mich - aber nur kurz. Denn weder das eine noch andere stimmt. Ich werde sauer, niemand versteht mich, ich verstehe auch niemanden und während der ganzen Palaverei strömen hundert und aberhundert chinesische Touristen an mir vorbei in den Park. Ich muss mich beruhigen. Am liebsten würde ich wieder umdrehen. Zum Glück tue ich das nicht, denn als ich endlich drin bin, weiss ich, dass sich die Mühe gelohnt hat.

 

Ich wander 4 Tage durch diese phantastische Landschaft. Ich kann die Schönheit dieser Landschaft weder in Worte fassen noch auf Bilder bannen. Daher verstumme ich an an dieser Stelle und lasse im Zeitraffer vom Morgen bis zum Abend durch die Landschaft des Wulingyuan streifen. 

Nicht verstummen beim Anblick dieser Schönheit tun die Chinesen. Sie dringen in diese friedliche Landschaft in martialischen Heerschaaren ein, aufmunitioniert mit dem teuersten fotografischen Geschütz, was der heutige Markt hergibt. Die Frauen darüber hinaus besohlt mit hochhackigen Schuhen und und bearmt mit spitzen Ellenbogen, die so überlebenswichtig sind beim Erkämpfen der Shooting Spots. Diese sind zwar mit Scenic Spots angeschrieben, doch dies ist nur ein kluges Ablenkungsmanöver. Wenn man wie ich, darauf hereinfällt, läuft man Gefahr innert Sekunden gelyncht zu werden, da man nichtsahnend in die Shootings tritt. Landminen sind harmlos dagegen. Ich würde behaupten, diese Situation war bislang die gefährlichste während meiner ganzen Reise.

Zwischen den Shootings bemächtigen sich die Chinesen einer uralten Foltermethodik, um die paar wenigen Westler bewegungs- und kampfunfähig zu machen: sie brüllen nach Leibeskräften ins Universum. Sie behaupten, dies wäre ihr Ausdruck an der Freude in der Natur - aber auch das, wirkungsvolle Kriegstaktik.

 

Wie konnte ich dies überleben?

 

Zum einen, indem ich anfing, mit meinem Rucksack auf dem Rücken schnelle Rechtslinksdrehungen auszuüben. Durch die Schläge mobilisiert setzen die Chinesen kurz zum Gegenschlag an, das heisst, sie holen Luft und keifen los. Doch wenn sie dann bemerken, dass der Rucksackträger ein "Laowai" ist, lächeln sie und verstummen. So konnte ich mir zumindest inmitten der Hot-Zones immer wieder mal Luft verschaffen. Eine weitere Taktik war, vor Sonnenaufgang aufzustehen. Bis ca 8 Uhr hatte ich so 2 Stunden meinen Frieden. Ich konnte es manchmal selbst kaum glauben. Und dritte Taktik: auf den raren nicht beschilderten Wegen laufen. Ich tat dies zwar zum einen auch in der Hoffnung, dass die Wegpflasterrung nach einer Weile aufhört - dem war nicht so. Aber der nette Nebeneffekt war, dass ich fast ganz allein war. Und dann war ich in einer der schönsten Welten.Und wenn es dann, wie am letzten Tag, noch der Nebel zwichen die Karstriesen und in den Wald kroch, war ich in der Welt der Avataren.

 

Anbei ein paar Blicke auf "die Front"...

4. Überlebensstrategie: mitmachen
4. Überlebensstrategie: mitmachen

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Kommentare: 4
  • #1

    Claudia St. :-) (Donnerstag, 30 Mai 2013 07:04)

    Wunderschöne Bilder und ein breites Grinsen beim Lesen :-D

  • #2

    Karin (Donnerstag, 30 Mai 2013 11:17)

    Ja Mädel, wehre Dich nur, damit wir von Dir mit diesen wunderschönen Bildern "versorgt" werden können und wir weiterhin ein wenig an Deinen
    Erlebnissen und Eindrücken teilhaben dürfen. Vielleicht wäre es besser gewesen, anstelle von Tai chi etwas Unterricht in Kung Fu zu nehmen!!!
    Übrigens, schade, dass Du Deine High Heels zu Hause gelassen hast. Hättest doch sicher noch ein Plätzchen im Rucksack gefunden und .....Du hättest sie als Waffe benutzen können. ;)
    Ganz liebe Grüße

    Übrigens, soll ich mich schon mal für einen Verleger Deiner tollen Reise "beschreibungen" und Berichte umsehen? Aber vielleicht hat Claudi da die besseren Verbindungen?!?! :)

  • #3

    katinkaintheworld (Freitag, 31 Mai 2013 13:41)

    @ ClaudiaSt :-) ja, ja!
    @ Karin: Ist schon gut, dass es Tai Chi ist und nicht Kung Fu. Sonst lägen da jetzt ein paar Chinesen zwischen den Steinriesen. Und High Heels in meinem Rucksack. Ha ha, ich schicke zur Zeit dauernd Sachen heim... der ist immer noch zu schwer. Und ja, wenn Du Du jemand findest, der Interesse an einem besonderen Reisebuch hat. Gerne :-).

  • #4

    pp (Freitag, 31 Mai 2013 15:59)

    gucke grad mit gerhard deine bericht und bilder an. das bild von dir mit hintergrund karstfelsen ist sensationell. eine richtige lichtorgel