China ... hinter der Grenze ... fehlen die Türen

Ich dachte, in Hongkong sind viele Menschen... so kann man sich irren. Ich habe das Gefühl hinter der Grenze in Shenzen sind es doppelt so viele. Und sie sind anders. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was es ist. Sind es die billigen Schuhe? Die unerkärlichen Farbkombinationen ihrer Kleider? die buckeligen Chinesen? Ist es die Tatsache, dass sie mich anstarren? Ich weiss es noch nicht.

 

Ich nehme den "Softsleeper" nach Guilin in der Provinz Guangxi. Softsleeper heisst 4 Betten im Abteil statt 6 und ich dachte irgendwie auch an eine weiche Matraze. Ich habe Bettzeug, es ist sauber, im Abteil steht eine Riesenthermoskanne mit heissem Wasser für Tee und Instantnudeln. Aber die Matraze, die ist echt hart. So hart, dass mir irgendwann nachts einzelne Liegemuskeln einschlafen... Aber die Zugfahrt ist toll. Es handelt sich um einen stilvoll ausgestatteten Zug aus der Zeit kurz nach Maos Tod. Die Uniformen der Angestellten scheinen aus derselben Zeit. Meine Abteilgenossen sind so angezogen wie mein Opa in den 70ern. Sie sind höflich zurückhaltend. Im Nebenabteilen packen Familien aus China und Indien ihre Abendessen aus, währenddessen ich mit einer Schweizerin im Restaurantabteil ein Bier trinken gehe. Danach schlafe ich nicht schlecht ( wie eben auch meine Liegemuskeln). Ich wache auf, als schon hell ist. Und ich befinde mich im China meiner Romane: es ist grau und regnerisch. Reisfelder, soweit das Auge reicht. Dazwischen monotone Arbeitersiedlungen, manchmal stehen hübsche alte Häuser dazwischen. Plötzlich blitzt all mein rudimtäres Wissen über Maos China durch meinen Kopf: kommunistischer Zentralismus, straff organisiert, Zwangsarbeiter, Unterdrückung jedweder freier Gedanken, systematische Umerziehung zum sozialistischen Bewusstsein unter Verzicht auf jede Art von Individualität, Ausrottung der Intellektuellen, die Kulturrevolution, die soviel Narben hinterliess, dass es noch heute keinen zeitgenössischen Roman gibt, in dem sie nicht erwähnt wird. Heisst das denn, dass all die Menschen da draussen, die älter als dreissig sind, diese Narben in und auf sich tragen? Ich werde und bleibe nachdenklich. 

Im Zug von Hongkong nach Guilin
Im Zug von Hongkong nach Guilin

Der Temperatursturz, der mich in Gulin auf dem Bahnsteig empfängt bringt mich jedoch auf andere Gedanken: wie komme ich nun am schnellsten an meinen Faserpelz? Ich finde ihn. Ebenso finde ich schnell ein Klo und stelle fest, dass die Toiletten keine Türen haben... ausser mir irritiert das niemand.

Ich kaufe mir ein Busticket nach Yangshao. Ich finde den Bussteig nicht, weil alles auf chinesisch angeschrieben ist. Ich finde auch niemand der Englisch kann. Also halte ich einer jungen Frau, die gerade Nudeln isst, mein Ticket unter die Nase. Sie springt auf und rennt mit dem Nudeltopf in der Hand los, deutet mir an, ich soll mit rennen, was ich auch tue. Wir rennen von Bahnsteig zu Bahnsteig, sie mit dem Nudeln, ich mit meinem Gepäck. Und in letzter Minute erreiche ich den Bus.

 

Der rumpelt los (mal wieder einer ohne Stossdämpfer) und ab da, weiss ich, ich bin am richtigen Ort. Die Landschaft ist eine Fantasiewelt aus spitzen Bergen, überwuchert mit dichtem Urwald. Und oder gerade weil es neblig ist, hat das ganze einen mystischen Charakter. In den Dörfern und am Strassenrand wuseln Chinesen in den typischen "Mao-Arbeitskleidern". Autos, viele alte VWs (wieso eigentlich?), Ochsenkarren, Fahrräder und echte Motorräder (keine Billigscooter so wie in Thailand). Holzstapel zum anfeuen liegen überall. Kleine Läden verkaufen Sachen, die ich nicht kenne.

In Yangshuo angekommen muss ich wieder auf die Toilette. Zwei junge Mädchen bringen mich bis direkt davor (diesmal mit Türen) und fragen, ob sie auf meinen Rucksack aufpassen sollen, was ich gerne annehme. Als ich rauskomme fragen sie mich schüchtern, ob sie wohl ein Bild mit mir machen dürften. Ich sehe zwar sowas von übernächtigt aus,.... aber egal.

 

Meine Unterkunft befindet sich in einem Dorf am Dorfrand inmitten der Märchenlandschaft und ich verbummel den Nachmittag dort, eingemummelt in meine Fliessdecke am Kaminfeuer. Weil es ist nicht schön, richtig, echt kalt....aber auch unglaublich schön... 

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Kommentare: 6
  • #1

    Birke (Sonntag, 28 April 2013 18:35)

    Stehen auch Wasserbüffel im Fluss, wenn es so kalt ist?

  • #2

    katinkaintheworld (Montag, 29 April 2013 03:15)

    Ja! Woher weisst du das?

  • #3

    Birke (Freitag, 03 Mai 2013 14:13)

    Ich war schon da...

  • #4

    katinkaintheworld (Freitag, 03 Mai 2013 14:33)

    Dachte ich mir fast... lustig... hat es dir auch so gut gefallen? Du hast nie Bilder gezeigt. Oder ausufernd geschwärmt... Ich komm trotz Regen aus dem Schwärmen raus... oder mag ich mich nur nicht mehr erinnern? Ich weiss nur noch, dass es für Ecki nicht so toll war. Aber es interessiert mich sehr, wo genau du warst und wir es dir gefallen hat.

  • #5

    Claudia (Samstag, 01 Juni 2013 23:55)

    Hallo! Die Chinesen haben zum Teil alte Produktionsanlagen von VW gekauft (z.B. in der Nähe von Shanghai wurde der VW Santana gebaut) - ich fand es damals auch seltsam, als die Strassen von Shanghai voll von VWs waren - und sie sahen halt aus wie aus den 70ern und 80ern, waren aber viel später produziert worden. Vielleicht deshalb so viele VWs?? Sieht echt irre schön aus, die Landschaft. Lieben Gruss aus ZH, C.

  • #6

    ClaudiaW (Sonntag, 02 Juni 2013 01:01)

    PS: Hab dann gemerkt, dass es mehrere Claudias gibt, das da oben war ich :o)